Genau ein Jahr (und eine Woche) ist es nun her, dass der Rat der Stadt Bochum das Bürgerbegehren 
Radentscheid für unzulässig erklärt hat. Das war das vorläufige Ende einer Bürger:innenbewegung,
die im September 2020 angetreten war, die jahrzehntelange Vernachlässigung der Radinfrastruktur
durch die Stadt Bochum und die rot-grüne Koalition im Rat der Stadt zu beenden.
Viele Helfer:innen hatten trotz Corona-Einschränkungen monatelang Unterschriften gesammelt,
mit 17.000 Unterschriften das nötige Quorum auch weit überschritten und dabei viele Klagen zum
aktuellen Zustand der Radwege in Bochum zu hören bekommen. Nach der Einreichung der Unterschriften
war es zu längeren Verhandlungen mit den Ratsfraktionen von SPD und Grünen gekommen, die aber am
Ende vor allem daran scheiterten, dass die Bochumer SPD an vielen Stellen direkte Radverbindungen 
entlang von Hauptverkehrsachsen ablehnt. Statt diese Ablehnung politisch im Rat zu zeigen und dann in einem Bürger:innenentscheid die Bochumer:innen entscheiden zu lassen, wählte man dann den Weg über ein Rechtsgutachten zur Zulässigkeit. Für dieses Gutachten beauftragte die Stadt Bochum zufälligerweise ausgerechnet denjenigen Verwaltungsrechtler, der auch schon gegen die Zulässigkeit des Radentscheids 
in Bielefeld argumentiert hatte. Da es auch andere Meinungen unter Jurist:innen zu dieser Frage
gibt, haben wir bzw. unsere Vertretungsberechtigten Klage gegen den Unzulässigkeitsbeschluss vor
dem Verwaltungsgericht eingelegt.  
 
Leider ist es nicht so, dass ein Gericht zeitnah darüber entscheidet, ob die Stadt Bochum
hier rechtmäßig gehandelt hat und was von dem Gutachten zu halten ist. Tatsächlich ist auch nach
einem Jahr noch nicht einmal abzusehen, wann die Klage vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen
verhandelt wird. Wir hoffen natürlich, dass dies noch in diesem Jahr passiert, aber eine Garantie
gibt es nicht. 
Klar ist dagegen schon, dass die vergangenen Monate, was den Radwegebau angeht, wieder einmal als
ein verlorenes Jahr in die Bochumer Stadtgeschichte eingehen werden.
Unsere Forderung waren jährlich acht Straßenkilometer im Hauptverkehrsnetz, der aufgeweichte 
Alternativbeschluss von SPD, Grünen, CDU und FDP enthielt 7 Radwegekilometer (alias 3,5 Straßenkilometer) im Hauptroutennetz, fertiggestellt wurden aber gerade mal jeweils 100 Meter an der Königsallee und an der Wittener Straße.
Dazu kamen einige weitere Rückschläge:
Im August 2022 hat das Tiefbauamt nach monatelanger Planung auf der Springorumtrasse die sogenannten „Rüttelstreifen“ aufgetragen, die Radfahrer:innen seither massiv verärgern und deren Rückbau trotzmehrfacher Ankündigung noch nicht in Angriff genommen wurde. Abgesehen davon wurden dafür 20.000 Euro für „Radwegebau“ verwendet, um eine der wenigen funktionierenden Radverbindungen in Bochum zu ruinieren, und dabei sind die Kosten für Planung und Rückbau noch nicht einmal eingerechnet. 
Im November 2022 wandte sich der Radentscheid gemeinsam mit Radwende, ADFC und VCD vor dem Hintergrund mehrerer schwerer Unfälle und Beinahe-Unfälle mit einem offenen Brief an OB Thomas Eiskirch. Die Radverbände forderten darin Soformaßnahmen, um wenigstens einige der seit langem bekannten Gefahrenstellen kurzfristig zu beseitigen. Bezeichnenderweise gab es dazu keinerlei Antwort des OB, aber immerhin wurden einige der Probleme angegangen. So wurden alte Straßenbahnschienen verfüllt und für die Engstelle an der Wittener Straße 101 ein kurzer Pop-Up-Radweg als Verkehrsversuch angekündigt. An anderen Stellen ist dagegen weiterhin nichts passiert und man muss davon ausgehen, dass für die Stadt Bochum die „Leistungsfähigkeit anderer Verkehrsträger“ weiterhin Vorrang vor der Sicherheit der Radfahrer:innen hat.
Auch der Plan für die Wittener Straße sieht nur einen Pop-Up-Radweg vor, der so minimal gehalten ist, das 
zwar die Gefahrenstelle entschärft wird, aber auf gar keinen Fall ein zusätzlicher Anreiz
für Radfahrer:innen entstehen kann, die Wittener Straße zu benutzen.
Schon für 2022 war das neue Radverkehrskonzept für Bochum angekündigt, der Entwurf wurde allerdings erst im Februar 2023 veröffentlich. Leider spielen auch hier die Hauptverbindungen nur eine untergeordnete Rolle. Obwohl ihre Bedeutung erwähnt wird, werden die großen Lücken im Radwegkataster nicht erwähnt und auch die vorgeschlagenen Maßnahmenpakete enthalten nur sehr wenige Vorschläge, die sich auf Hauptrouten beziehen. Inwiefern das durch Vorgaben des Tiefbauamts an das Ingenieurbüro verursacht ist, ist zumindest unklar. 
Zum Ende noch ein kleiner Lichtblick: Vergangene Woche wurde angekündigt, dass entlang der Essener Straße und des Wattenscheider Hellwegs eine 4 Kilometer lange Direktverbindung mit 2,50 m breiten Radwegen und Sicherheitstrennstreifen eingerichtet wird. Das begrüßen wir, denn hier wird mit überschaubaren Kosten durch eine Neuverteilung der Verkehrsfläche eine Verbindung geschaffen, die einen echten Nutzen hat und Menschen zum Umstieg aufs Rad motivieren könnte. Noch besser wäre es, den Weg direkt bis zum Anschluss an die Erzbahntrasse oder gar bis zum Radkreuz bzw. Rathaus fortzusetzen. Dass hier nach vielen Jahren etwas passiert, ist zumindest ein indirekter Erfolg der Aktivitäten von RadEntscheid und Radwende.
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