Im April 2022 wurde der RadEntscheid vom Rat der Stadt Bochum für unzulässig erklärt. Wenig später haben wir gegen diese Unzulässigkeitserklärung Klage eingereicht. Am 15.3.2024 fand nun die mündliche Gerichtsverhandlung am Verwaltungsgericht Gelsenkirchen stat. Das Urteil nach der mehrstündigen Verhandlung: Die Klage wird abgewiesen.
Zur Erinnerung: Die RadEntscheide in Essen, Aachen und Bonn mündeten in einen Ratsbeschluss, in Bielefeld kam es zu einer politischen Einigung. Es gab in diesen Städten einen politischen Willen, die Verkehrswende voran zu bringen, der so in Bochum leider nicht zu erkennen war. Die Vollversammlung des RadEntscheid Bochum hatte sich 2021 darauf verständigt eine politische Entscheidung – auch wenn diese zu Kompromissen zwingt – einem Bürgerentscheid vorzuziehen. In wochenlangen Verhandlungen haben wir versucht, die Politik davon zu überzeugen, diese hatte sich dagegen entschieden. Stattdessen hat sie einen eigenen Vorschlag fraktionsübergreifend beschließen lassen, der mit den Forderungen des RadEntscheid wenig zu tun hatte.
Zum Urteil
Während der Verhandlung standen zwei Aspekte im Mittelpunkt:
1. Darf ein Bürgerbegehren aus mehreren Punkten bestehen, auch wenn am Ende nur ein Ja oder Nein möglich ist und wie eng müssen diese Punkte gegebenenfalls miteinander zusammenhängen?
2. Ist der Radentscheid Bochum „bestimmt“, d.h. konkret genug?
In der mündlichen Urteilsbegründung wies der Vorsitzende Richter vor allem darauf hin, dass der Gesetzgeber nicht gewollt habe, dass die Bürger:innen anstelle des Rates planerische, also konzeptionelle Entscheidungen treffen können. Auch sei bei den vielen detaillierten Anliegen des RadEntscheids die Frage zu stellen, ob die Bürger*innen wüssten, worüber sie genau abstimmen. Nach § 26 Gemeindeordnung NRW müssten Bürgerbegehren „eine Angelegenheit“ zum Gegenstand haben. Hier stelle sich, so der Richter, die Frage, ob die sieben Ziele als eine Angelegenheit zu betrachten seien. Fraglich sei insgesamt, ob politische Programme Gegenstand eines Bürgerbegehrens sein können oder nur punktuelle und konkrete Ziele. Das Bestimmtheitsgebot fordere eine konkrete Sachentscheidung, ein konzeptionelles Programm sei nicht zulässig. Ob und wie weit die Frage, was „eine Angelegenheit“ ist, angesichts der immer komplexer werdenden Lebensrealität, weiterentwickelt werden müsse, sei keine Frage für die Gerichte, sondern Aufgabe des Gesetzgebers.
Aus dem Bestimmtheitsgebot folge das Verbot, verschiedene Themen zu verkoppeln. Thema des RadEntscheids sei – so sieht es das Gericht – Planung und Ausbau der Radwege. Nach Urteil des Gerichts fallen etwa die Freigabe von Einbahnstraßen und der Umbau von Kreuzungen, nicht darunter.
Im Ergebnis zeigt das Urteil, dass nach derzeitiger Gesetzeslage in NRW Bürgerentscheide nur ein beschränktes Mittel zur Mitbestimmung darstellen und auf sehr konkrete, abgegrenzte Sachverhalte zugeschnitten sind.
Das Urteil ist deshalb auch so etwas wie ein Grundsatzurteil für ähnliche Bürgerbegehren. Andere Radentscheide in NRW ähneln dem RadEntscheid Bochum in Form und Inhalt. Sie sind von dem aktuellen Urteil daher mit betroffen.Dass dennoch einige RadEntscheide in NRW erfolgreich entschieden worden sind, war einem politischen Beschluss zu verdanken.
In Bochum gab es für einen solchen Beschluss, wesentliche Elemente des RadEntscheids umzusetzen, keine politische Mehrheit. Ein Bürgerentscheid über den RadEntscheid ist mit dem Urteil nun auch ausgeschlossen.
Dennoch haben 17.000 Bochumer*innen mit ihrer Unterschrift symbolisch für eine Mobilitätswende gestimmt.
Nun ist die Politik wieder am Zug: Es muss endlich ein Konzept für eine umfassende Mobilitätswende her,
es müssen endlich Maßnahmen für eine echte Radinfrastruktur umgesetzt werden!
– Lokalzeit Ruhr, 15.03.2024:
– Pressemitteilung Mehr Demokratie e.V. Nordrhein-Westfalen: