In den letzten Jahren wurden die gravierenden gesellschaftlichen Folgen städtischer autofokussierter Verkehrsplanung immer deutlicher: immer mehr Kinder können nicht Radfahren – die Durchfallquote bei der Radfahrprüfung an Grundschulen steigt. Fünf bis zehn Kinder pro Klasse sind laut Verkehrswacht Bochum nicht mehr fit genug für die Radfahrprüfung. (1)
Aus Angst und Sorge, ihren Kindern könnte auf dem Schulweg etwas passieren, fahren Eltern die Kinder mit dem Auto zur Schule. Dieser Bring- und Abholverkehr an Schulen, sogenannte Eltern-Taxis, wird wiederum zum Gefahrenpotenzial für Kinder, die zu Fuß kommen oder mit dem Fahrrad fahren. (2) Fehlende sichere Infrastruktur für Radfahrende und Fußgänger*innen führt also zu Bewegungsmangel als wachsendes Problem in der Bevölkerung – ein Teufelskreis.
Dabei ist das Fahrradfahren, so wie auch der am Morgen zu Fuß zurück gelegte Schulweg, eine wichtige Förderung der täglichen Bewegung von Kindern und Jugendlichen. Zahlreiche Studien legen nahe, dass sich zu viele Kinder zu wenig bewegen. (3) Das Nutzen des Fahrrades fördert schon bei Kindern wichtige Bewegungsabläufe: Körperbeherrschung, motorische Koordination und Gleichgewichtssinn werden gleichermaßen gefordert und geschult. Natürlich müssen Reaktionsfähigkeiten und Verhaltensweisen im Straßenverkehr geübt werden. Dafür sollten Eltern und die Schule ab der 2. Klasse bis in die weiterführenden Schule durch einen gute Radfahrausbildung sorgen (die in den Lehrplänen und von der Kultusministerkonferenz auch so gefordert wird). Kinder sind aber nur dann sicher im Straßenverkehr unterwegs, wenn ihnen zusätzlich eine sichere Fuß- und Fahrradinfrastruktur zur Verfügung steht und der Autoverkehr entsprechend entschleunigt wird.
Ab dem Alter von zehn Jahren müssen Kinder laut Straßenverkehrsordnung mit dem Rad den Radweg oder die Fahrbahn benutzen. Gerade weil die motorische Entwicklung mit dem zehnten Lebensjahr aber noch nicht abgeschlossen ist, sollte die Stadt Bochum ihre Kinder auf ihren Schul- und Alltagswegen durch eine sichere Infrastruktur, durch breite Fuß- und Radwege, besonders schützen. Kinder sind nun mal keine kleinen Erwachsenen – ausreichend breite Wege ermöglichen daher eine gewisse Fehlertoleranz, schützen so vor Gefahren und ermöglichen den Kindern eine unabhängige und selbstbestimmte Mobilität, um ihren Sozialraum zu erkunden und zu entdecken.
Statt Haltestellen für Elterntaxis einzurichten und dem Autoverkehr noch mehr Raum und Fläche zu geben, sollten an allen Schulen Schulwegpläne für den Fuß- und Radverkehr erstellt werden. Diese dienen neuen Schüler*innen und deren Eltern als Orientierung, auf welchen Wegen sie mit dem Rad oder zu Fuß sicher und komfortabel zur Schule kommen. Bei festgestellten Problemstellen auf diesen Schulwegen ist die Stadt aufgefordert, Verbesserungen umzusetzen. Aus den Kernforderungen zum Radentscheid geht hervor, dass Wege dann einladend sind, wenn sie
- breit genug und großzügig dimensioniert sind,
- keine Lücken haben, wo Kinder in den Autoverkehr ausweichen müssen,
- Fuß- und Radverkehr voneinander trennen, um Konflikte zu vermeiden,
- frei von parkenden Autos sind,
- insbesondere an Kreuzungen und Überquerungen übersichtlich und sicher gestaltet sind.
- Zusätzlich muss es in Bochum, auch an den Schulen, mehr und sichere Fahrradabstellanlagen geben.
Eine zukunftsfähige Verkehrsplanung der Stadt ist nur dann kinderfreundlich und familiengerecht, wenn sie sichere, komfortable und attraktive Geh- und Radwege schafft. Es braucht ein lückenloses Radverkehrsnetz in der gesamten Stadt, damit Menschen bereit sind, vom Auto auf das Rad umzusteigen und ihren Kindern alternative Mobilitätsformen vorzuleben. Die Sicherheit von Schülerinnen und Schülern auf ihrem täglichen Weg von und zur Schule zu erhöhen, gehört mit zu den wichtigsten Zielen der Verkehrspolitik.
(1) Radfahrprüfung. Auch Bochumer Kinder fahren immer schlechter Fahrrad, WAZ, 17.08.2018
(2) Schulwege. Elterntaxis vor Schule in Bochum – „keine schöne Atmosphäre“, WAZ, 17.09.2020
(3) Bewegungsmangel bei Kindern – Ursachen, Folgen und Veränderungsmöglichkeiten, Kinderschutzbund NRW
(4) Green City Plan Bochum, Juli 2018, BMVI