Nach zweieinhalb Monaten intensiver Gespräche wurden die Verhandlungen der RadEntscheid-Initiative mit der SPD-Fraktion nun beiderseitig beendet. Es konnte kein Kompromiss bei den Ausbauzielen – also dem Kernanliegen des Bürgerbegehrens – erreicht werden. Bei der Anzahl an Straßenkilometern, die in den nächsten neun Jahren für den Radverkehr ausgebaut werden sollen, lagen die Vorstellungen zu weit auseinander. Im Bürgerbegehren wird der Ausbau von jährlich acht Straßenkilometern auf den Radialen, dem Innenring und den Hauptverkehrsstraßen („Hauptroutennetz“) und jährlich 12 Straßenkilometern auf allen übrigen Straßen („Ergänzungsnetz“)gefordert. Die SPD-Fraktion wollte sich jedoch maximal auf die Hälfte der geforderten Ausbaukilometer festlegen.
Die RadEntscheid-Initiative bereitet sich nun auf einen Bürgerentscheid vor. Dafür muss der Rat der Stadt zunächst über die Zulässigkeit abstimmen. Da das Thema bei der Ratssitzung am kommenden Donnerstag (03. März) nicht auf der Tagesordnung steht, ist noch unklar, wann die Entscheidung fällt. Die nächste reguläre Ratssitzung findet am 05. Mai statt, spätestens dann rechnet die Initiative mit einem Ratsbeschluss.
Birgit Isfort, eine der RadEntscheid-Vertreterinnen, kommentiert das Ende der Verhandlungen so: „Wir bedauern, dass es zu keiner Einigung mit der SPD-Fraktion kam. Die Anzahl der Ausbaukilometer für den Radverkehr ist für uns die zentrale Forderung. Wir haben bereits fast ein Jahr lang für das Anliegen gekämpft, da geben wir uns jetzt nicht mit der Hälfte zufrieden. Während der Kampagne haben wir mit zahlreichen Bochumer:innen gesprochen, ganz oft war zu hören: Es muss viel mehr Alltagsradwege geben! 17.000 Unterschriften sprechen für sich, die Verkehrswende erreichen wir nur, wenn auch Radwege zügig ausgebaut werden. Jetzt gehen wir erstmal davon aus, dass die Bürger:innen selbst über das Anliegen abstimmen dürfen und bereiten uns darauf vor.“
Die Gespräche mit der SPD-Fraktion wurden im Dezember 2021 auf Initiative des Radentscheids aufgenommen, um eine politische Entscheidung im Rat der Stadt zu erwirken, die einen Bürgerentscheid hinfällig gemacht hätte. Der SPD-Fraktionsvorstand hatte bereits zu Beginn der Gespräche deutlich gemacht, dass eine Übernahme der Forderungen der RadEntscheid-Initiative für die SPD-Fraktion nicht in Frage komme. Es wurde in den weiteren Gesprächen zwischen Vertreter:innen der Initiative und der SPD-Fraktion deshalb ein Kompromiss angestrebt. Vor der Beendigung der Gespräche hatte sich die Initiative bei den anderen Zielen bereits auf weitgehende Kompromisse mit der SPD-Fraktion geeinigt.
Gespräche gab es auch mit der Grünen-Fraktion und einigen Oppositionsfraktionen. Die Grünen hatten bereits öffentlich erklärt, dass sie das Anliegen in Gänze unterstützen.
Sollte es zu einem Bürgerentscheid kommen, wäre Bochum erst die zweite Stadt bundesweit (nach Kaarst), in der an der Wahlurne über einen Radentscheid abgestimmt wird und nicht im Rat. Radentscheide gibt es in bisher 50 deutschen Städten, in etwa der Hälfte der Städte wurde bereits eine politische Entscheidung erwirkt.
Die RadEntscheid-Initiative hatte sich im Herbst 2020 gegründet und am 05. März 2021 das Bürgerbegehren eingereicht. Die Unterschriftenkampagne startete im Sommer und erreichte innerhalb von viereinhalb Monaten 17.000 Unterschriften, die am 17. Dezember an Oberbürgermeister Eiskirch übergeben wurden.