Am gestrigen Montag (21.03.22) erhielten die Vertreter:innen des RadEntscheids ein of­fizielles Schreiben aus der Stadtverwaltung, in dem mitgeteilt wurde, dass die Verwaltung dem Rat der Stadt empfiehlt, das Bürgerbegehren für nicht zulässig zu erklären. Sie stützt sich dabei auf ein eingeholtes Rechtsgutachten, das die Unzulässigkeit des Begehrens fest­stellt. Eine entsprechende Pressemitteilung der Stadt Bochum wurde gleichzeitig veröf­fentlicht. Am 01.04. wird auf einer Sondersitzung des Rats über die Zulässigkeit abgestimmt.

Der Koordinierungskreis des RadEntscheids konnte sich im Laufe des Tages einen Überblick über das 40-seitige Gutachten verschaffen und sich darüber verständigen. Sein Fazit: Nach diesem Rechtsgutachten hätte der RadEntscheid das Bürgerbegehren noch nicht einmal in an­nähernd ähnlicher Form durchführen können.

„Wir bedauern sehr, dass dem Rat nahegelegt wird unser Bürgerbegehren für unzulässig zu erklären. Unser Eindruck: Die Rechtsauffassung, die sich hier findet, macht es nahezu un­möglich über die Frage abstimmen zu lassen: ‚Soll die Stadt Bochum die folgenden verkehrspolitischen Ziele in den nächsten 9 Jahren umsetzen?‘“, so Birgit Isfort vom RadEntscheid. „Unser Anliegen richtet sich an die Politik. Das Bürgerbegehren zielte da­rauf, dass die Bürger:innen ihre politisch gewählten Vertreter:innen auf diese Ziele verpflichten können. Das Gutachten sagt: Das geht rechtlich aber so nicht. Der Ball bleibt aus unserer Sicht jetzt trotzdem bei der Politik.“

Die rein formalen Aspekte sind nach dem vorliegenden Rechtsgutachten alle zulässig, bemän­gelt wird die gesamte Konstruktion von Abstimmungsfrage und Begründung, weshalb der Gutachter empfiehlt, das Bürgerbegehren insgesamt für unzulässig zu erklären.

Eine kurze Zusammenfassung der geprüften und bemängelten Punkte: Das Gutachten bemängelt zum Beispiel, dass den in den Zielen aufgeführten Themen „der erforderliche Sachzusammenhang“ zum Thema ‚Radwegeausbau‘ fehle. Genannt werden hier zum Beispiel Radschulwegpläne, die Errichtung von Fahrradparkhäusern, die Verringerung der Abbiege-Geschwindigkeit, die Freigabe von Einbahnstraßen für den Radverkehr in Gegenrichtung etc. Das Bürgerbegehren ziele zudem nicht auf Sachentscheidungen, über die Bürger:innen selbst abstimmen können, sondern auf eine Entscheidung durch den Rat. Außerdem ließe der Text keine „eindeutige Meinungsbildung der Unterzeichnenden […] wegen der unbestimmten Inhalte in verschiedenen Forderungen“ zu.

Die Stadt Bochum schreibt in Ihrer Pressemitteilung, sie ‘bedauere’, dass die RadEntscheid-Ini­tiative ‚Absicherungsmöglichkeiten‘ in Form einer Zulässigkeitsprüfung vorab verzichtet hätte. Die RadEntscheid-Initiative hatte sich vor Einreichung des Bürgerbegehrens allerdings schon unabhängig juristisch beraten lassen.

„Wenn man das Gutachten jetzt liest, kann man sich schon fragen: Wofür hätten wir denn eigentlich ein Bürgerbegehren einreichen dürfen? Ist es dann überhaupt möglich mit dem Mittel der direkten Demokratie auf die umfassende Verbesserung der Radverkehrssitua­tion hinzuwirken?“, so RadEntscheid-Vertreter Benedikt Edeler. „Jetzt sind wir eher froh darüber, dass wir die Prüfung der Zulässigkeit nicht schon vor dem Sammeln der Unter­schriften beantragt haben. So hatten wir die Gelegenheit, ein halbes Jahr lang positive Stimmung für das Thema zu verbreiten, eine breite stadtgesellschaftliche Rückendeckung aufzubauen und eine politische Debatte in Gang zu setzen. Das Gutachtens zeigt doch: Mit einer vorherigen Zulässigkeitsprüfung wären wir als RadEntscheid vielleicht nie losge­laufen.“

Das Gutachten wurde von dem Verwaltungsrechtsexperten Prof. Dr. jur. Harald Hofmann angefertigt, der 2020 ein sehr ähnliches bereits für die Stadt Bielefeld erstellt hatte. Auch hier wurde das Bürgerbegehren zunächst für unzulässig erklärt. Ein Gegengutachten erwirkte dann allerdings eine vertragliche Vereinbarung zu den Zielen des Radentscheids mit dem Stadtrat. In Aachen und Marl erklärten die Stadtverwaltungen und der Rat die Bürger­begehren, die dem RadEntscheid in Bochum sehr ähnlich sind, für zulässig. Dort wurden die Forderungen auch von den Mehrheitsfraktionen angenommen – genau wie in Bonn und Essen. Alle genannten Bürgerbegehren ähneln sich in Form und Inhalt.

Über weitere Schritte wird bei der nächsten Vollversammlung des RadEntscheids am 30.03. (19.00, Ort wird noch bekannt gegeben) beraten. Ein möglicher Klageweg wird geprüft. Am Tag der Ratssitzung (01.04.) wird es eine Aktion geben und auch für die kommenden Tage ist die Beteiligung an verschiedenen Aktionen geplant. Bei der Ratssitzung wird die Initiative ihr Recht in Anspruch nehmen, zu dem Anliegen des Begehrens Stellung zu nehmen.